iOptron HEM27 erste Eindrücke

Montierungen und Steuerungen
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christianhanke
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iOptron HEM27 erste Eindrücke

Beitrag von christianhanke »

Hallo,
nachdem Stefan sehr ausführlich über seine neue Montierung (Pegasus Nyx-101) berichtet hat, möchte ich die ersten Eindrücke von meiner neuen iOptron HEM27 teilen. Bei mir sind ja zwischen Kaufentscheidung und Lieferung nur wenige Tage vergangen, so dass ich schnell meine Neugierde befriedigen konnte.

Die Ausführung des Steuerkopfes und des Carbon-Stativs macht einen sehr guten Eindruck, was man ja auch bei dem Kaufpreis erwarten kann. Der Aufbau geht unkompliziert schnell von statten.
Das erste große Aha-Erlebnis ist das geringe Gewicht der Montierung. Was für ein Unterschied, wenn man anstatt der 20 kg der HEQ5 auf der Schulter nur die 7 kg der HEM27 in der Hand über die Kellertreppe transportieren muss. Die Knie werden es einem hoffentlich danken.

Die Steuerung geschieht über die Go2Nova Handbox, die auch bei der Steuerung über den Computer/Smartphone/Tablet (wahlweise USB-Kabel oder W-LAN) immer angeschlossen ist. So kann man immer auch händisch eingreifen. Das Menükonzept ist sehr eingängig und sinnvoll aufgebaut. Zum Glück kann man den lästigen Piepston ausschalten. Im Normalzustand werden die Position, die Trackingeinstellung, die maximale Schwenkgeschwindigkeit und die Zeit eingeblendet. Durch eine eingebaute Pufferbatterie bleiben alle wichtigen Daten gespeichert und die Uhr läuft weiter. Das erspart eine Neueingabe beim Einschalten. Beim Herunterladen der iOptron Commander Software werden auch automatisch alle notwendigen ASCOM-Treiber installiert. Die Verbindung und Steuerung über Carte de Ciel und PHD erfolgte problemlos.

Das Carbon-Stativ macht einen sehr soliden Eindruck. Da wackelt nichts. Das Geräusch der Montierung beim Nachführen und beim Schwenken (max. 6°/s) ist sehr niedrig, sodass keine Störung der Nachbarn zu befürchten ist. Kein Vergleich zur HEQ5 mit dem Zahnradantrieb, mit dem Riemenantrieb wird da allerdings auch eine deutliche Geräuschminderung erzielt.
Da die HEM27 in DEC einen konventionellen Schneckenantrieb besitzt, kann man die Aufnahme mittels einer Kupplung lösen und frei drehen. Das ermöglicht eine schnelle Drehung um 90°, wenn man entweder mit einer Querschiene oder einer Längsschiene zur Befestigung der Teleskope arbeitet. Interessanterweise rastet die Aufnahmeplatte alle 1.25° ein. Damit kann man sehr exakt um 90° schwenken. Durch die Montierung sind eine USB- und eine 12V-Verbindung zur Aufnahmeplatte durchgeführt, was das Kabelmanagement doch sehr erleichtert. Ich habe an die Position des optionalen Guidingfernrohrs von iOptron eine kleine Box mit mehreren Cinch-Buchsen zur 12V-Verteilung auf der Schiene befestigt.

An einem Abend konnte ich erste Tests unter Sternenhimmel machen. Mich hat vor allem das Guidingverhalten interessiert. Dazu habe ich meinen TSAPO72 (f=372 mm) zusammen mit der ASI120MM verwendet, da ich ja auch diese Kombination oft als Leitrohr benutze. Das Einnorden mittels der Drift-Routine von PHD ging so leidlich von statten, da das Blickfeld und damit die Auswahl geeigneter Sterne doch sehr eingeschränkt ist. Die Kalibrierung und das Autoguiding bei gutem Seeing liefen problemlos. Mit einer Belichtungszeit von 0.5 s wurde ein RMS-Fehler von 0.75 Bogensekunden erzielt, bei 1 s dann 0.95 Bogensekunden. Mit diesen Werten kann man sehr zufrieden sein, da es auch keine deutlichen Ausreißer gegeben hat. Die Datenanalyse in PHD erlaubt die Rückrechnung der Montierungsbewegung ohne Guidingimpulse. Aus dieser Darstellung konnte ein maximaler periodischer Fehler von +- 5 Bogensekunden ermittelt werden. Allerdings ist die Sinuskurve mit einer Periode von 360 s noch mit einer zweite Schwingung mit einer Periode von ca. 12s überlagert. Bei Gelegenheit werde ich diese Tests über längere Beobachtungszeiten nachholen.

Das bisherige Urteil fällt ja bisher sehr gut aus. Allerdings gibt es auch ein paar Dinge zu kritisieren, wo man sich fragt, was haben sich die Konstrukteure dabei gedacht. Zum Beispiel ist das Ausgangskabel des mitgelieferten 12V/5A-Netzteils zu kurz. Beim Einstecken in die Montierung schwebt das Netzteil in der Luft, was leicht dazu führen kann, dass sich der Stecker löst. Wenn man das Kabel einmal um das Stativbein wickelt, ist für genug Zugentlastung gesorgt. Aber schick ist diese Lösung nicht. Als Schrauben, die zur Sicherung der Position in RA und DEC verwendet werden, dienen Inbusschrauben. Zwar ist in der Montierung ein entsprechender Schlüssel unverlierbar magnetisch gelagert, aber im Dunkeln ist das Handling eher suboptimal. Ich werde die Schrauben durch passende Klemmhebelschrauben ersetzen, wie sie ähnlich auch bei der ASI AM5 zum Einsatz kommen. Wenn man die Aufnahmeplatte um 90° dreht, um mit einer Querschiene zu arbeiten, lässt sich diese mit dem Klemmhebel nicht richtig fixieren, da der Hebel am Gehäuse anstößt. Zu Glück ist die Schraube lang genug, damit mit einer Hülse der Klemmhebel soweit nach außen positioniert werden kann, dass eine vollständige Drehung möglich ist.



Positiv ist zu bemerken, dass die entsprechende Kritik vom iOptron-Support umgehend beantwortet wurde. Vielleicht ändern sie ja noch die Konstruktion entsprechend.

Mit der alten HEQ5 habe ich ja versucht, mich über SkyTrack der Verfolgung von Satelliten zu widmen. Durch entsprechende Hard- und Firmwareaufrüstung kann man mit der HEQ5 Satelliten kontinuierlich verfolgen. Das ist leider mit der HEM27 nicht mehr möglich, da die Firmware keine variablen Trackinggeschwindigkeiten zulässt. Damit ist nur der sog. „Leap-Frog“-Modus möglich, bei der sich die Montierung schnell um ein Bildfenster verschiebt, um dann bei Stillstand den Satelliten durchs Bild laufen zu lassen. Danach wird dann wieder um ein Bildfenster nach vorne gesprungen. Mal sehen, wie das dann funktioniert.

Diese Art der Montierung lässt ja keinen Polsucher in der RA-Achse zu. Auf den zugehörigen elektronischen Polsucher habe ich verzichtet, da meine Umgebung ein Funktionieren wegen keiner oder eingeschränkter Sicht auf Polaris nicht zulässt. Auch habe ich keinen passenden Adapter für einen Polarsucher gefunden. Da war natürlich wieder das Bastlerherz gefragt. Aus einem ehemaligen Winkelsucher und einem 90°-Aluwinkel, habe ich mir eine entsprechende Aufnahme für einen Polarsucher bzw. einen Laserpointer gebastelt. Diese Konstruktion konnte ich genau an der Stelle anbringen, wo der elektronische Polfinder eingebaut wird.



Insgesamt bin ich von der Montierung überzeugt und hoffe, dass nicht das Wetter solange umgekehrt proportional zum Kaufpreis astrountauglich sein wird.

Gruß und CS

Christian
christianhanke
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Re: iOptron HEM27 erste Eindrücke

Beitrag von christianhanke »

Hallo,

ich muss zwei Fehler korrigieren. Die Rastung der DEC-Achse erfolgt mit 2.5°. In der Bedienungsanleitung wird auf die Rastung nicht eingegangen. Haben andere iOptron-Montierungen auch diese Art der Rastung oder lassen sich diese kontinuierlich einstellen?
Im letzten Satz ergibt das "umgekehrt" keinen Sinn.

Die beschriebene Anordnung des Polsuchers erlaubt einen komfortablen geradsichtigen Einblick von der Seite.

Hier noch die rückgerechnete PE-Kurve über 7 Minuten Laufzeit.



Die Belichtungszeit bzw. Messrate lag in der ersten Hälfte bei 1 s und in der zweiten Hälfte bei 0.5 s. Die "hochfrequente" Oszillation scheint systembedingt zu sein. Sie wird aber durch das Gegensteuern gut kompensiert.

Gruß und CS

Christian
Frank
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Re: iOptron HEM27 erste Eindrücke

Beitrag von Frank »

Hallo Christian

sehr ausführlich berichtet :danke:
bei den hochfrequenten Störungen mit bis zu 5" würde ich vermuten das schwer wird auf +-0,5" genau zu guiden, dann müsste der Spaß irgendwo bei 6zoll F/6 und Asi2600 aufhöhren.
Gut das Teleskop dann auch nur 7kg macht auch Sinn, zum Reisen prima.
einen 15kg schweren 10Zoll RC wird es nicht sinnvoll schaffen.
macht aber auch kein Sinn wegen so bisschen HEQ5 zu jammern und dann 15kg noch hoch oben in die Klemme manövrieren zu wollen :twisted: sogesehen passt es.

Irgendwie schlägt der Harmonicdrive Antrieb scheinbar auf die Dec Achse durch, sollte man im Auge behalten ob das mit der Nutzungszeit schlimmer wird.

bin ich gespannt auf erste Ergebnisse, vor allem mit welchen Teleskopen es klappt.

Gruß Frank
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Re: iOptron HEM27 erste Eindrücke

Beitrag von Stefan_Lilge »

Hallo Christian,

das hört sich doch vielversprechend an, vielen Dank für den Bericht. Die HEM27/HAE29 sind natürlich noch mal ein Stück leichter als die Nyx. Da braucht man dann auch keinen Star Adventurer o.ä. mehr, der wiegt auch nicht viel weniger.
Ein PE von 5" wäre natürlich sensationell gut für eine Strain Wave Montierung, auch wenn das durch die hohe Frequenz der Schwankungen wieder etwas relativiert wird. Der PE meiner Nyx ist mit Sicherheit ein vielfaches von 5", aber wie du auch schreibst reagieren diese Montierungen so schnell auf Befehle des Autoguiders dass der PE nicht so durchschlägt.

Das viel zu kurze Stromkabel ist bei der Nyx auch ein Problem, da baumelte bei mir das Netzteil auch in der Luft. Inzwischen habe ich allerdings aus China (in Europa habe ich keinen Anbieter gefunden) ein passendes Verlängerungskabel bestellt und auch erhalten. Leider nützt mir das aktuell nichts, weil meine Nyx eine Kur in Griechenland bekommt, weil sich in der DEC-Achse ein "Pochen" eingestellt hat. Das hat zwar die Funktion nicht beeinträchtigt, kann aber nicht normal sein und wird aktuell von Pegasus untersucht. Zum Glück ist die Abwicklung unproblematisch, Pegasus haben die Montierung mit DHL Express abholen lassen. Das war am Freitag kurz vor 17 Uhr und am Montag Mittag war die Montierung bei Pegasus in Griechenland. Insofern bin ich optimistisch, dass ich sie vor dem Teleskoptreffen in Neu Göhren wieder zurück habe. Wäre ja echt deprimierend da mit so einer altmodisch schweren Montierung hinfahren zu müssen ;-)
Frank hat geschrieben: 20.03.2023, 19:12 ...
Irgendwie schlägt der Harmonicdrive Antrieb scheinbar auf die Dec Achse durch, sollte man im Auge behalten ob das mit der Nutzungszeit schlimmer wird.
Ein "crosstalk" zwischen RA und DEC ist bei Strain Wave Montierungen wohl normal, das ist also kein schlechtes Zeichen für die Zukunft.
Viele Grüße
Stefan
christianhanke
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Re: iOptron HEM27 erste Eindrücke

Beitrag von christianhanke »

Hallo,

ich hab noch ein paar Bemerkungen.

Bei der Steuerungssoftware gibt es keine Ausrichtung der Montierung nach der 1-, 2- oder 3-Sterne-Methode mehr. Diese Option war ich von der Steuerung der HEQ5 mit SynScanPro gewohnt. Diese Möglichkeit gibt es aber auch bei den CEM-Modellen von iOptron. Die einzige Möglichkeit der Ausrichtung ist das Synchronisieren auf einen Stern, was der 1-Stern-Methode entspricht. Weshalb die anderen Ausrichtungsmethoden weggefallen sind, ist mir unklar. Eine entsprechende Anfrage beim iOptron-Support blieb bis jetzt unbeantwortet.

Zur Gewichtsdiskussion. Ich habe schon vor, etwas mehr als 15 kg auf die Montierung mit Ausgleichsgewicht zu laden. Ich nutze eine Querschiene mit drei Halterungen, die ich je nach Vorhaben mit unterschiedlichen Teleskopen, Fotoobjektiven und einer Sucherkamera bestücke. Somit muss ich nicht das ganze Gewicht auf einmal auf die Montierung laden. Zum Austarieren in DEC sind je nach Bestückung Markierungen gesetzt.

Noch eine eher nicht tierisch ernst gemeinte Bemerkung. Das Gewicht, das man noch bequem tragen kann oder sollte, ist sicher mit dem Alter verknüpft. Bei umgekehrter Proportionalität ergibt das Produkt aus Alter und Gewicht eine Konstante. Die läge jetzt mit der neuen Montierung für mich jetzt bei etwa 510 kg*Jahr. Das Modell ist natürlich nur eingeschränkt gültig, sonst müsste ja ein Baby eine halbe Tonne heben. Das geringere Gewicht senkt jedenfalls die Hemmschwelle, auch mal für eine kürzere Nutzungsdauer den Setup aufzubauen.

Das mit dem zu kurzen Netzteilkabel ist ärgerlich. Eine entsprechende Verlängerung wäre ja leicht zu basteln. Leider habe ich in meinem Bastelkeller nicht die entsprechenden Buchsen und Stecker gefunden. Nach der Schließung der Filialen eines großen süddeutschen Elektronikdistributors in München ist es unmöglich geworden, spontan Bauteile zu kaufen. Es ist schon ärgerlich, dass man jetzt wegen jeder Kleinigkeit zu einer Bestellung greifen muss.

Gruß und CS
Christian
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Stefan_Lilge
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Re: iOptron HEM27 erste Eindrücke

Beitrag von Stefan_Lilge »

Hallo Christian,

Mehrstern-Alignment vermisse ich eigentlich nicht. Bei meiner CEM60 habe ich auch immer nur ein 1-Stern-Alignment gemacht und bei der Nyx (die inzwischen wieder zurück ist) nehme ich auch nur einen Stern, obwohl man bei der CEM60 drei Sterne nehmen könnte und bei der Nyx sogar fünf (bin mir ziemlich sicher, dass man bei der Nyx bei früheren Software-Versionen sogar mehr als fünf Alignment-Sterne nehmen konnte). Da ich durch den fehlenden Polsucher bei der Nyx leider gezwungen bin, genauere Einnordungsmethoden zu verwenden, sollte der eine Stern auch genügen.

Ansonsten teile ich deine Trauer über die Schließung der Conrad-Filialen (nehme mal an dass du die meinst), da gab es in Berlin-Kreuzberg auch eine, in der ich immer lauter Sachen gefunden habe, von denen ich gar nicht wusste, dass ich sie brauche ;-)
Viele Grüße
Stefan
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